Jahreswechsel 2024/2025

Viertes Bürokratieentlastungsgesetz

Die Veröffentlichung des Vierten Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV) im Bundesgesetzblatt erfolgte am 29. Oktober 2024. Wie im Koalitionsvertrag vereinbart ist damit unter koordinierender Federführung des Bundesjustizministeriums ein ressortübergreifendes Gesetzgebungspaket auf den Weg gebracht worden, um Wirtschaft, Bürger und Verwaltung von überflüssiger Bürokratie zu entlasten. Das BEG IV ist Teil des Bürokratieabbaupaketes, auf das sich das Kabinett bei seiner Klausur in Meseberg am 29. und 30. August 2023 verständigt hatte.

Aufbewahrungsfristen für Entgeltunterlagen

Sozialversicherung (unverändert): Der Arbeitgeber hat gemäß § 28f Abs. 1 SGB IV für jeden Beschäftigten, getrennt nach Kalenderjahren, Entgeltunterlagen im Geltungsbereich des Sozialgesetzbuchs in deutscher Sprache zu führen und bis zum Ablauf des auf die letzte Betriebsprüfung folgenden Kalenderjahres geordnet aufzubewahren (Ausnahme: Beschäftigte im Privathaushalt). Weitere Einzelheiten über den Inhalt der vom Arbeitgeber zu führenden Entgeltunterlagen sind der Beitragsverfahrensverordnung zu entnehmen.

Lohnsteuer (§ 41 Abs. 1 Satz 9 EStG, 147 Abs. 3 Satz 1 AO): Das Einkommensteuergesetz sieht für Lohnkonten eine eigene Aufbewahrungsfrist vor. Der Aufbewahrungszeitraum beträgt 6 Jahre. Die Fristberechnung beginnt zum 1.1. des Kalenderjahres, das auf die zuletzt eingetragenen Lohnzahlungen folgt. Die Aufbewahrungsfrist für die Lohnbuchhaltung eines Kalenderjahres beginnt demzufolge im Normalfall zum 1.1. des Folgejahres und endet 6 Jahre später am 31.12. Für alle übrigen für den Lohnsteuerabzug bedeutsamen Unterlagen gilt nach der AO (Abgabenordnung) ebenfalls eine Frist von 6 Jahren.

Eine verlängerte Aufbewahrungsfrist von 10 Jahren gilt bis dato für Unterlagen, die der betrieblichen Gewinnermittlung dienen (z. B. Eingangs-/Ausgangsrechnungen, aber auch Lohnjournale). Das BEG IV verkürzt die Aufbewahrungsfrist für Buchungsbelege nun auf 8 Jahre – ein löblicher Schritt, er hätte aber nach Meinung vieler mutiger ausfallen können.

Laut Gesetzesbegründung leistet die Verkürzung der Aufbewahrungsfristen für Buchungsbelege im Steuer- und Handelsrecht mit einer Reduzierung des Erfüllungsaufwands für die Wirtschaft in Höhe von jährlich geschätzt rund 626 Mio. Euro einen wesentlichen Beitrag zu der Gesamtentlastungswirkung des BEG IV.

Wichtig:

Die 8 Jahre gelten für alle betroffenen Unterlagen, deren Aufbewahrungsfrist am 1. Januar 2025 noch nicht abgelaufen ist, in Ausnahmefällen (Hintergrund: Cum-Ex-Ermittlungsverfahren) auch erst am 1. Januar 2026.

Künstlersozialabgabe: Bagatellgrenze deutlich angehoben

Die sog. Bagatellgrenze für abgabepflichtige Unternehmen (§ 24 Abs. 2 Satz 1 KSVG) wird mit dem BEG IV zum 1. Januar 2026 von 450 auf 1.000 EUR im Kalenderjahr spürbar erhöht. Hierdurch soll ausgeschlossen werden, dass Einzel- und Kleinstaufträge an Künstler mit geringem Volumen vermehrt der Abgabepflicht unterliegen. Dieser Schritt erfolgt vor dem Hintergrund, dass im Zuge der Neufassung des § 24 Abs. 2 KSVG durch Artikel 17 Nummer 8b des Achten SGB IV-Änderungsgesetzes vom 28. Dezember 2022 der Rechtsbegriff der „nicht nur gelegentlichen Auftragserteilung“ gestrichen wurde.

Laut Gesetzesbegründung unterliegen aufgrund dieser Änderung knapp 15.000 Unternehmen, das sind rund zehn Prozent der aktuell abgabepflichtigen Unternehmen, ab dem Jahr 2026 nicht mehr der Abgabepflicht. In der Folge entfallen für diese Unternehmen zum einen die Zahlung der Künstlersozialabgabe in Höhe von jährlich rund 500.000 EUR und zum anderen Bürokratiekosten aus Informationspflichten (Melde- und Aufbewahrungspflichten) in Höhe von jährlich rund 235.000 EUR.

Wichtig:

Eine Neufassung von § 54 KSVG im Rahmen des BEG IV bewirkt, dass die Anhebung der Bagatellgrenze mit einem Zwischenschritt erfolgt, denn für 2025 (also Abrechnung Anfang 2026) wird die Grenze auf 700 EUR festgelegt.

Auch hinsichtlich der Bagatellgrenze muss nach den verschiedenen Gruppen von Künstlersozialabgabepflichtigen unterschieden werden:

  • Keine Anwendung Bagatellgrenze (auch zukünftig nicht) bei typischen Verwertern wie Verlagen oder Werbeagenturen; Unternehmen, die typischerweise künstlerische oder publizistische Werke oder Leistungen verwerten, sind in § 24 Abs. 1 KSVG aufgezählt
  • Anwendung Bagatellgrenze dagegen bei Unternehmen gem. § 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 KSVG, die Werbung oder Öffentlichkeitsarbeit für ihr eigenes Unternehmen betreiben und Aufträge an selbstständige Künstler oder Publizisten erteilen bzw. gem. § 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 KSVG bei Unternehmen, die zwar nicht nach Abs. 1 zu den typischen Verwertern von Kunst und Publizistik gehören, die aber sonst für Zwecke ihres Unternehmens künstlerische oder publizistische Werke und Leistungen nutzen und im Zusammenhang mit dieser Nutzung Einnahmen erzielen wollen (gilt vor allem für das Verwerten von Designleistungen) – sog. Generalklausel.

Praxis-Tipp:

Detaillierte Informationen zu allen Fragen rund um die Künstlersozialversicherung – die Künstlersozialkasse wechselt übrigens zum 1. Januar 2025 organisatorisch von der Unfallversicherung Bund und Bahn (UVB) in das Verbundsystem der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See (KBS), sie bleibt aber am Standort Wilhelmshaven und auch sonst soll sich nichts ändern – bietet die Künstlersozialkasse. Allgemeine Informationen zur Abgabepflicht und zur Bagatellgrenze enthält beispielsweise die „Informationsschrift Nr. 1“.

Auswahl weiterer Einzelmaßnahmen

Eine zentrale sozialversicherungsrechtliche Vollmachtsdatenbank der Steuerberater soll es künftig ermöglichen, dass Arbeitgeber ihren Steuerberatern nicht mehr zahlreiche schriftliche/papiergebundene Vollmachten für die jeweiligen Träger der sozialen Sicherung ausstellen müssen. Durch Änderungen im Steuerberatungsgesetz (vgl. Artikel 32) sowie einen neuen § 105a SGB IV soll künftig eine Generalvollmacht genügen, die in der Vollmachtsdatenbank elektronisch eingetragen und von allen Trägern der sozialen Sicherung abgerufen werden kann.

Die Datenbank hat die Bundessteuerberaterkammer einzurichten und zu unterhalten – Abrufe durch die Träger sind ab dem 1. Januar 2028 zunächst nur optional (Artikel 61) und sollen erst zum 1. Januar 2030 obligatorisch (Artikel 62) werden.

HINWEIS: Das Nähere zum Verfahren, zum Inhalt und zur Form der Vollmacht, zu den Datensätzen und zum Datenübertragungsverfahren bestimmen die Bundessteuerberaterkammer, der GKV-Spitzenverband, die DRV Bund, die DGUV, die Bundesagentur für Arbeit, die DRV Knappschaft-Bahn-See und die SVLFG in noch aufzustellenden Gemeinsamen Grundsätzen.

Das Arbeitszeitgesetz (ArbZG, vgl. Artikel 52) und das Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG, vgl. Artikel 53) waren bisher im Betrieb „auszulegen oder auszuhängen“. Diesbezüglich kommt der Gesetzgeber mit dem BEG IV nun endlich auch im 21. Jahrhundert an und erlaubt zusätzlich die – vielfach in den Unternehmen bereits praktizierte – Veröffentlichung im Intranet, d. h. „über die im Betrieb oder in der Dienststelle übliche Informations- und Kommunikationstechnik“.

Das „Gesetz über den Nachweis der für ein Arbeitsverhältnis geltenden wesentlichen Bedingungen“ fristete längere Zeit ein Schattendasein, weil die enthaltenen Regelungen häufig schlichtweg nicht bekannt waren. Spätestens nachdem es zum 1. August 2022 an EU-Recht (Arbeitsbedingungenrichtlinie) angepasst wurde, war es sozusagen in aller Munde.

Jetzt sorgt das BEG IV für einige Erleichterungen – hauptsächlich dadurch, dass vielfach auf die bislang verpflichtende Schriftform zugunsten der Textform gem. § 126b BGB verzichtet werden kann (vgl. Artikel 50), sodass eine E-Mail, SMS oder Messenger-Nachricht ausreichend wäre. Gemäß Gesetzesbegründung erlaube die Formerweiterung es Unternehmen, Abläufe in ihren Personalverwaltungen zu digitalisieren. Gleichzeitig würde das berechtigte Interesse der Arbeitnehmer gewahrt, ihre Arbeitsbedingungen im Streitfall einfach nachweisen zu können.

Konkret ermöglicht die Formerweiterung es Arbeitgebern, die Niederschrift der wesentlichen Vertragsbedingungen anstelle der schriftlichen Niederlegung und Aushändigung unter den im Gesetz geregelten näheren Voraussetzungen alternativ in Textform abzufassen und den Arbeitnehmern elektronisch zu übermitteln.

WICHTIG: Wie schon bislang hinsichtlich der Schriftform gilt auch in Zukunft: Ist dem Arbeitnehmer bereits ein Arbeitsvertrag in Textform übermittelt worden, entfällt die Verpflichtung nach dem Nachweisgesetz.

Die elektronische Übermittlung muss dabei individuell erfolgen, eine allgemeine Bekanntmachung reicht nicht aus. Gemäß den Vorgaben des Artikel 3 Satz 2 der Richtlinie (EU) 2019/1152 vom 20. Juni 2019 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union (Arbeitsbedingungenrichtlinie) muss bei elektronischer Übermittlung das Dokument für Arbeitnehmer zum einen zugänglich sein sowie gespeichert und ausgedruckt werden können. Für die Zugänglichmachung ist dabei insbesondere erforderlich, dass auf Seiten der Arbeitnehmer ein elektronischer Übermittlungsweg eröffnet ist und sie auf das Dokument uneingeschränkt Zugriff nehmen können; per E-Mail wäre also ausreichend in diesem Sinne. In Umsetzung der Vorgaben des Artikel 3 Satz 2 der Arbeitsbedingungenrichtlinie muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer mit der Übermittlung zum anderen auffordern, einen auf die übermittelte Niederschrift bezogenen Empfangsnachweis zu erteilen. Dieses Kriterium soll den bereits nach allgemeinen Regeln erforderlichen Zugang des Nachweises vor dem Hintergrund möglicher Unsicherheiten bei der elektronischen Übermittlung zusätzlich absichern.

Im Hinblick auf den hohen Beweiswert des Nachweises der wesentlichen Vertragsbedingungen im arbeitsgerichtlichen Verfahren haben Arbeitnehmer im Falle der Erteilung in Textform zusätzlich einen Anspruch auf Erteilung des Nachweises in Schriftform auf Verlangen.

WICHTIG: Von der Textform ausgenommen sind die Wirtschaftsbereiche und Wirtschaftszweige nach § 2a Abs. 1 SchwarzArbG, denn in diesen Branchen erachtet der Gesetzgeber die Beibehaltung der Schriftform zum Schutz der Arbeitnehmer weiterhin für erforderlich.

Hat eine Befristung eine Vereinbarung zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Erreichen der Regelaltersgrenze zum Gegenstand, besteht künftig eine Ausnahme vom Schriftformerfordernis des § 14 Abs. 4 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG). Für solche Altersgrenzen-Vereinbarungen ist laut BEG IV (Artikel 63, § 41 Abs. 2 SGB VI) künftig die Textform gem. § 126b BGB ausreichend.

HINWEIS: Altersgrenzen-Vereinbarungen, die die Regelaltersgrenze in Bezug nehmen, sind weit verbreitet und finden sich sowohl in Arbeitsverträgen als auch in Tarifverträgen. Sie bestimmen, dass das Arbeitsverhältnis mit Erreichen der Regelaltersgrenze endet. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ordnet solche Vereinbarungen rechtlich als Befristungen des Arbeitsvertrages ein (BAG, Urteil vom 14. August 2002, 7 AZR 469/01, Rn. 19).

Das Schriftformerfordernis für Befristungsabreden dient dazu, angesichts der besonderen Bedeutung der Befristung, die automatisch zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führt, größtmögliche Rechtssicherheit zu gewährleisten. Es hat eine Warn- und Beweisfunktion. Den Arbeitnehmern soll deutlich werden, dass das Arbeitsverhältnis keine dauerhafte Existenzgrundlage bietet. Außerdem erleichtert das Schriftformerfordernis die Beweisführung und soll unnötigen Streit über das Vorliegen und den Inhalt einer Befristungsabrede vermeiden. Laut Gesetzesbegründung würde die Warnfunktion des Formerfordernisses bei Altersgrenzen-Vereinbarungen für die betroffenen Arbeitnehmer regelmäßig weniger Bedeutung haben, denn mit dem Erreichen der Regelaltersgrenze ginge eine erhöhte Absicherung durch Rentenleistungen einher. Darüber hinaus bestünde bei den Arbeitnehmern regelmäßig die Erwartungshaltung, dass das Arbeitsverhältnis mit Erreichen der Regelaltersgrenze endet.

Weitere Rechtsnormen, die mit dem BEG IV angepasst werden und in Zukunft das Schriftformerfordernis auf die Textform herabstufen, also die vollständige Digitalisierung von Prozessen ermöglichen, finden sich im Gesetz zum Elterngeld und zur Elternzeit (BEEG, vgl. Artikel 57), im Pflegezeitgesetz (PflegeZG, vgl. Artikel 68) sowie im Familienpflegezeitgesetzes (FPfZG, vgl. Artikel 69):

Dokument

Bisherige Vorgaben

Neue Vorgaben

Geltendmachung Elternzeit
(§ 16 BEEG)

Geburten bis 30.4.2025:
Schriftform

Geburten ab 1.5.2025:
Textform

Antrag auf Teilzeit während der Elternzeit
(§ 15 BEEG)

Geburten bis 30.4.2025:
Schriftform

Geburten ab 1.5.2025:
Textform

Ablehnung des Antrags auf Teilzeit
(§ 15 BEEG)

Geburten bis 30.4.2025:
Schriftform

Geburten ab 1.5.2025:
Textform

Ankündigung Pflegezeit
(§ 3 Abs. 3 PflegeZG)

Schriftform

Textform

Ankündigung Familienpflegezeit
(§ 2a Abs. 1 FPfZG)

Schriftform

Textform

Nachdem es bislang absolut unzulässig war („Die Erteilung des Zeugnisses in elektronischer Form ist ausgeschlossen.“) können Zeugnisse künftig laut BEG IV (vgl. Artikel 14, § 630 Satz 3 BGB) elektronisch ausgestellt werden: „Bei der Beendigung eines dauernden Dienstverhältnisses kann der Verpflichtete von dem anderen Teil ein schriftliches Zeugnis über das Dienstverhältnis und dessen Dauer fordern. Das Zeugnis ist auf Verlangen auf die Leistungen und die Führung im Dienst zu erstrecken. Das Zeugnis kann mit Einwilligung des Verpflichteten in elektronischer Form erteilt werden. Wenn der Verpflichtete ein Arbeitnehmer ist, findet § 109 der Gewerbeordnung Anwendung.“

[Bearbeitungsstand: 01.11.2024]