Das Bundeskabinett hat am 4. September 2024 eine Formulierungshilfe für einen Änderungsantrag der Fraktionen der SPD, von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP zur Umsetzung der renten-politischen Maßnahmen der Wachstumsinitiative beschlossen. Einfließen wird diese wohl in das Gesetzgebungsverfahren zum sog. „Rentenpaket II“ (Gesetz zur Stabilisierung des Rentenniveaus und zum Aufbau eines Generationenkapitals für die gesetzliche Rentenversicherung – Rentenniveaustabilisierungs- und Generationenkapitalgesetz), das am 29. Mai 2024 vom Bundeskabinett beschlossen wurde.
Die Ampel-Regierung will mit der Formulierungshilfe die rentenpolitischen Maßnahmen aus der „Wachstumsinitiative – neue wirtschaftliche Dynamik für Deutschland“ vom 5. Juli 2024 umsetzen. Sie zielen ab auf die Stärkung finanzieller Vorteile bei der Aufnahme und Ausweitung von Erwerbsarbeit. Zugleich sollen Arbeitsmöglichkeiten und Anreize zur Beschäftigung Älterer ausgeweitet werden. Laut Bundesministerium für Arbeit und Soziales bedürfen die in der Formulierungshilfe enthaltenen Regelungen nicht der Zustimmung des Bundesrates.
Gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ist die sachgrundlose Befristung eines Arbeitsverhältnisses nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat (sog. Vorbeschäftigungs- oder auch Anschlussverbot).
Dieses Verbot soll ab dem 2. April 2025 für Arbeitnehmer, die die Regelaltersgrenze erreicht haben, aufgehoben und ihnen so eine Rückkehr zum bisherigen Arbeitgeber (Stichwort: Fachkräftemangel) erleichtert werden (§ 41 Abs. 2 SGB VI-E), soweit mit sachgrundlosen Befristungen folgende Grenzen nicht überschritten werden:
Die Einschränkung wird in zeitlicher Hinsicht sowie durch die maximale Anzahl von zwölf befristeten Arbeitsverträgen begrenzt. Die Verknüpfung dieser zweifachen Begrenzung durch die Konjunktion „oder“ ist laut Begründung zur Formulierungshilfe als ein „und/oder“ zu verstehen.
Als Zeitpunkt des Inkrafttretens sieht die Formulierungshilfe den 2. April 2025 vor, da sich der Änderungsbefehl auf einen Regelungsstandort bezieht, der erst durch die Formulierungshilfe der Bundesregierung für einen Änderungsantrag zum Gesetzentwurf der Bundesregierung für das Vierte Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV) geschaffen wird: § 41 Abs. 2 SGB VI. Diese Regelung tritt nach zwischenzeitlicher Veröffentlichung des BEG IV im Bundesgesetzblatt aber bereits am 1. Januar 2025 in Kraft, sodass die obige Verweisung jetzt bereits zum 2. Januar 2025 in Kraft treten könnte.
Für Arbeitnehmer, die wegen Vollendung des für die Regelaltersrente erforderlichen Lebensjahres versicherungsfrei sind, zahlen Arbeitgeber (zur Vermeidung von Wettbewerbsvorteilen) die Hälfte des Beitrags, der zu zahlen wäre, wenn die Arbeitnehmer versicherungspflichtig wären. Dies soll ab dem 1. Juli 2025 dann nicht gelten, wenn der Arbeitgeber den Beitrag zur Arbeitslosen- und Rentenversicherung in voller Höhe an die Arbeitnehmer zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn auszahlt. Damit sollen für den Personenkreis versicherungsfrei Beschäftigter ab der Regelaltersgrenze weitere Anreize zur freiwilligen Ausübung bzw. Beibehaltung einer Erwerbstätigkeit geschaffen werden.
Die Auszahlung der RV/ALV-Beträge kann grundsätzlich nur einheitlich erfolgen – es sei denn, der Versicherungsstatus in der Renten- und Arbeitslosenversicherung fällt auseinander (unterschiedlicher Versicherungsstatus in der RV und ALV).
Die erforderlichen Anpassungen zur Steuerfreiheit dieser beitragsersetzenden Arbeitgeberzahlungen zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn (i. S. § 8 Abs. 4 EStG) sollen laut Formulierungshilfe vom Bundesfinanzministerium erarbeitet und zeitnah vorgelegt werden.
Bleibt die Frage, wie sich solch eine Ungleichbehandlung von jungen und älteren Beschäftigten auf den Betriebsfrieden auswirkt. Außerdem hat die DRV Bund erklärt, dass sich die Beitragsausfälle auf bis zu eine Milliarde Euro pro Jahr belaufen könnten, sodass der RV-Beitragssatz früher und/oder stärker angehoben werden müsste.
Bei beschäftigten Hinterbliebenenrentnern wird das vom Bruttoentgelt nach Abzug eines 40-prozentigen Pauschalbetrags verbleibende „Netto“ zu 40 Prozent mindernd auf die Rente angerechnet – soweit es den Freibetrag übersteigt; dieser beträgt monatlich das 26,4-fache des aktuellen Rentenwerts (seit 1. Juli 2024: 1.038,05 EUR) plus evtl. das 5,6-fache (seit 1. Juli 2024: 220,19 EUR) für jedes Kind des Berechtigten, das Anspruch auf Waisenrente hat oder nur deshalb nicht hat, weil es nicht ein Kind des Verstorbenen ist.
Ab 1. Juli 2027 soll zur Bestimmung des „Netto“ vor Abzug des 40-prozentigen Pauschalbetrags bei Erwerbs- oder kurzfristigen Erwerbsersatzeinkommen zunächst ein Sockelbetrag bis zur Höhe der jeweils maßgeblichen Geringfügigkeitsgrenze gem. § 8 Abs. 1a SGB IV (2025 wären das 556 EUR) von der Anrechnung ausgenommen werden. Damit will die Bundesregierung gewährleisten, dass eine geringfügig entlohnte Beschäftigung, die neben der Hinterbliebenenrente ausgeübt wird, stets anrechnungsfrei bleibt, sofern es sich um das einzige Erwerbseinkommen handelt.
Des Weiteren ist im Zusammenspiel mit den weiteren Regelungen der Einkommensanrechnung (pauschale Abzüge, Freibetrag) sichergestellt, dass eine Erwerbstätigkeit in Vollzeit zum gesetzlichen Mindestlohn regelmäßig nicht angerechnet wird, sofern sie das einzige Einkommen darstellt.
BEISPIEL (abstrakt, I. Halbjahr 2025): Aus einer Beschäftigung mit 40 Wochenstunden zum gesetzlichen Mindestlohn (12,82 EUR) ergibt sich ein Brutto von 2.222 EUR. Abzüglich des Sockelbetrags (556 EUR) verbleiben 1.666 EUR, nach pauschaler Minderung um 40 Prozent sind es rund 1.000 EUR. Da der Freibetrag von 1.038,05 EUR nicht überschritten wird, bleibt das Einkommen anrechnungsfrei und die Hinterbliebenenrente wird nicht gemindert.
Im Unterschied dazu ergäbe sich nach geltendem Recht eine Kürzung der Hinterbliebenenrente um ca. 100 EUR. Die Neuregelung soll Anreize setzen, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen bzw. eine bestehende Erwerbstätigkeit auszuweiten.
Um die Anreize für das Ausüben einer Erwerbstätigkeit auch nach Erreichen der Regelaltersgrenze weiter zu erhöhen, soll mit der Rentenaufschubprämie eine neue Möglichkeit für den Übergang in den Ruhestand geschaffen werden.
Ab dem 1. Januar 2028 hätten Versicherte demnach auf Antrag mit Beginn einer aufgeschobenen Rente wegen Alters Anspruch auf eine Rentenaufschubprämie als Alternative zum erhöhten Zugangsfaktor, wenn sie ab 2025
Die Höhe der Prämie wird ermittelt aus der Monatsrente zum Zeitpunkt des hinausgeschobenen Rentenbeginns (und damit unter Berücksichtigung der Anwartschaften aus der Weiterarbeit nach Erreichen der Regelaltersgrenze sowie zwischenzeitlicher Rentenanpassungen) vervielfältigt mit der Anzahl der hinausgeschobenen Monate und einem dynamischen Prämienfaktor. Dieser berücksichtigt den von der Deutschen Rentenversicherung übernommenen Beitragsanteil der Krankenversicherung der Rentner (an den Beiträgen zur Pflegeversicherung ist die DRV nicht beteiligt): 2024 würde der Faktor also 1,0815 betragen (Hälfte von 14,6 % + 1,7 %).
Die Rentenaufschubprämie soll nicht der Beitragspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung unterliegen; die steuerliche Behandlung der Prämie ist noch offen.
Ein Anspruch auf die Rentenaufschubprämie besteht nach der Formulierungshilfe nicht,
Entscheiden sich Arbeitnehmer für die Prämie, so beträgt der Zugangsfaktor bei der später in Anspruch genommenen Altersrente 1,0. Sind die obigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Rentenaufschubprämie (neben der Nichtinanspruchnahme der Rente) nicht erfüllt, kommt die Erhöhung des Zugangsfaktors bei der später in Anspruch genommenen Altersrente zur Anwendung. Dies ist z. B. der Fall, wenn die Mindestdauer des Aufschubs neben der durchgängigen Weiterarbeit nicht erreicht oder die Höchstdauer überschritten ist oder keine durchgängige Weiterarbeit mit Rentenversicherungspflicht während des Aufschubs vorliegt.
Ob die Rentenaufschubprämie für die Anspruchsberechtigten interessant ist, wird entscheidend von der steuerlichen Behandlung abhängen. In der Formulierungshilfe heißt es: „Das Bundesministerium der Finanzen prüft Optionen hinsichtlich der Besteuerung der Rentenaufschubprämie zur Steigerung der Attraktivität dieser Maßnahme.“
[Bearbeitungsstand: 01.11.2024]