Jahreswechsel 2022/2023
Junge Frau unterschreibt Arbeitsvertrag.

Transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen

Am 31. Juli 2019 ist die Richtlinie (EU) 2019/1152 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union (kurz: Arbeitsbedingungenrichtlinie) in Kraft getreten. Diese war innerhalb von zwei Jahren in deutsches Recht umzusetzen. Außer am Nachweisgesetz (NachwG) und am Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) mussten Änderungen an einigen weiteren Gesetzen vorgenommen werden, darauf gehen wir aber nachfolgend nicht weiter ein.

HINWEIS:

Der Art. 22 verpflichtet die Mitgliedstaaten, bis zum 31. Juli 2022 die Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu erlassen, die erforderlich sind, um den europäischen Vorgaben nachzukommen. Spätestens seit 1. August 2022 sind die in der Richtlinie festgelegten Rechte und Pflichten auf alle Arbeitsverhältnisse anzuwenden.

Reform Nachweisgesetz (NachwG)

Das NachwG (ursprünglich aus dem Jahr 1995) gilt seit dem 1. August 2022 für alle Arbeitnehmer – jetzt also auch für solche, die nur zur vorübergehenden Aushilfe von höchstens einem Monat eingestellt werden. Auf Praktikanten ist es unverändert nur dann anzuwenden, wenn diese gem. § 22 Abs. 1 Mindestlohngesetz als Arbeitnehmer gelten.

Es war und ist auch in Zukunft zulässig, mündliche Arbeitsverträge abzuschließen, aber die mündlichen Absprachen mussten und müssen auch weiterhin in ihren Grundzügen schriftlich festgehalten werden.

WICHTIG:

Der Arbeitgeber hat die wesentlichen Bedingungen des Arbeitsverhältnisses innerhalb bestimmter Fristen (dazu später mehr) schriftlich niederzulegen, die Niederschrift zu unterzeichnen und dem Arbeitnehmer auszuhändigen (Schriftformerfordernis gem. § 126 BGB).

Seit dem 1. August 2022 müssen Arbeitgeber, unabhängig von der Betriebsgröße, bei allen neuen Arbeitsverhältnissen und ggf. auch in Bestandsfällen deutlich erweiterte Informationspflichten beachten, denn der bisher geltende Katalog an Nachweispflichten nach § 2 NachwG wurde um einige Aspekte erweitert.

Auslandsbeschäftigungen: Hat der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung für länger als vier aufeinanderfolgende Wochen im Ausland zu erbringen, muss die Niederschrift vor dessen Abreise ausgehändigt werden und sie muss über die o. g. hinaus zusätzliche Angaben enthalten: § 2 Abs. 2 NachwG.

Fristen und Termine

Übergangsvorschrift (§ 5 NachwG): Bei Arbeitsverhältnissen, die schon vor dem 1. August 2022 bestanden haben, müssen Arbeitgeber innerhalb von sieben Tagen alle besonders wichtigen Angaben zum Inhalt des Arbeitsverhältnisses machen, allerdings ausschließlich nur auf Verlangen der Beschäftigten:

  • Name und Anschrift der Vertragsparteien
  • Beginn des Arbeitsverhältnisses
  • Dauer der Probezeit
  • Dauer und Enddatum bei befristeten Arbeitsverhältnissen
  • Arbeitsort und Beschreibung der Tätigkeit
  • Zusammensetzung und Höhe des Arbeitsentgelts
  • Arbeitszeit sowie Regelungen zur Arbeit auf Abruf sowie die Möglichkeit der Anordnung von Überstunden

Für Angaben zu den weiteren Bedingungen des Arbeitsverhältnisses haben die Arbeitgeber in Übergangsfällen immerhin einen Monat Zeit. Im Ergebnis müssen also auch schriftliche Altverträge, deren Inhalt nicht vollständig oder aktuell ist, geändert und angepasst werden.

Neueinstellungen: Ansonsten gelten die neuen Regeln seit dem 1. August 2022 für neu eingestellte Arbeitnehmer, sofern sie keinen detaillierten Arbeitsvertrag erhalten. Wo dies nicht der Fall ist, muss schon am ersten Arbeitstag eine Niederschrift mit den wesentlichen Informationen über Namen und Anschrift der Vertragsparteien, das Arbeitsentgelt und seine Zusammensetzung sowie über die Arbeitszeit übergeben werden. Die weiteren Nachweispflichten muss der Arbeitgeber spätestens nach sieben Kalendertagen nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses erfüllen, für wenige andere Arbeitsbedingungen, wie z. B. dem Anspruch auf vom Arbeitgeber bereitgestellte Fortbildung, auch erst nach einem Monat.

FAZIT:

Aus Arbeitgebersicht lohnen sich mündliche Arbeitsverträge kaum noch, weil das Einhalten der vorgeschriebenen Informationspflichten mit so hohem Aufwand verbunden ist, dass man besser direkt einen schriftlichen Arbeitsvertrag schließen kann. Falls aber doch, sollte sich der Arbeitgeber die Übergabe bzw. den Empfang der Niederschrift in jedem Fall vom Arbeitnehmer quittieren lassen.

Änderungen: Sofern sich in bestehenden Arbeitsverhältnissen seit dem 1. August 2022 wesentliche Arbeitsbedingungen ändern, ist die Änderung dem Arbeitnehmer spätestens an dem Tag schriftlich mitzuteilen, an dem sie wirksam wird. Dies gilt nicht bei einer Änderung der auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren gesetzlichen Vorschriften, Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen sowie Regelungen paritätisch besetzter Kommissionen, die auf der Grundlage kirchlichen Rechts Arbeitsbedingungen für den Bereich kirchlicher Arbeitgeber festlegen.

Schriftform

Der Nachweis der wesentlichen Arbeitsbedingungen in elektronischer Form ist in Deutschland ausgeschlossen (§ 2 Abs. 1 Satz 3 NachwG). Als Begleiterscheinung der Reform des NachwG werden Arbeitgeber de facto verpflichtet, die wesentlichen Bedingungen des Arbeitsvertrages klassisch niederzuschreiben, die Niederschrift per Hand zu unterzeichnen und den Beschäftigten danach in Papierform zu übergeben. Dies gilt abweichend von den europäischen Vorgaben – ein Rückschritt, denn in vielen Unternehmen ist es hierzulande längst üblich, Arbeitsverträge digital zu bearbeiten und zu verwalten.

HINWEIS:

Auch wenn sich das Schriftformerfordernis nur auf die im NachwG gelisteten Informationen bezieht und nicht auf die Arbeitsverträge der Beschäftigten selbst, so dürften die Neuregelungen dazu führen, dass Arbeitsverträge sowie Nachträge in der Praxis nur noch in Schriftform geschlossen werden. Alles andere würde doppelte Arbeit bedeuten und wäre deshalb wenig sinnvoll.

Was gilt bei Verstößen?

Wer bisher die Feinheiten des NachwG nicht ausreichend beachtet hatte, musste praktisch keine Sanktionen fürchten. Damit ist es nun vorbei. Verstöße gelten seit dem 1. August 2022 als Ordnungswidrigkeit und können ein Bußgeld von bis zu 2.000 EUR pro Fall nach sich ziehen (§ 4 NachwG) – aus Arbeitgebersicht also für jede Ordnungswidrigkeit und für jedes Arbeitsverhältnis!

Änderungen im Teilzeit- und Befristungsgesetz

Verlangt ein wenigstens seit sechs Monaten in Teilzeit beschäftigter Arbeitnehmer eine Änderung seines Arbeitsverhältnisses, vor allem eine Erhöhung der Arbeitszeit („Wunsch nach Veränderung von Dauer oder Lage oder von Dauer und Lage seiner vertraglich vereinbarten Arbeitszeit“), muss der Arbeitgeber seit dem 1. August 2022 innerhalb eines Monats begründet und in Textform auf diese Veränderungsanzeige antworten (§ 7 Abs. 3 TzBfG).

Ein identischer Anspruch auf Informationen in Textform besteht, wenn befristet beschäftigte Arbeitnehmer nach mindestens sechsmonatigem Arbeitsverhältnis Interesse an einem unbefristeten Arbeitsplatz anzeigen; diese sind dann über die Arbeitsplatzsituation zu informieren (§ 18 Abs. 2 TzBfG).

In einem befristeten Arbeitsverhältnis muss eine vereinbarte Probezeit künftig im Verhältnis zu der erwarteten Dauer der Befristung und der Art der Tätigkeit stehen (§ 15 Abs. 3 TzBfG), wobei dem TzBfG nicht zu entnehmen ist, was darunter zu verstehen ist.

Arbeit auf Abruf: Bei entsprechenden Vereinbarungen ist der Arbeitgeber jetzt verpflichtet, den Zeitrahmen, bestimmt durch Referenzstunden und Referenztage, festzulegen, in dem auf seine Aufforderung hin Arbeit stattfinden kann (§ 12 Abs. 3 TzBfG). Im Rahmen seines Weisungsrechts kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zur Arbeit innerhalb des festgelegten Zeitrahmens abrufen. Es wird für den Arbeitnehmer dadurch vorhersehbarer, wann er ggf. zur Arbeit herangezogen wird. Der Arbeitnehmer wiederum ist nur zur Arbeitsleistung im festgelegten Zeitrahmen verpflichtet, wenn der Arbeitgeber ihm die Lage seiner Arbeitszeit jeweils mindestens vier Tage im Voraus mitteilt (wie bisher), sofern nicht ein Tarifvertrag etwas anderes bestimmt. Wird diese Frist nicht eingehalten, können die Beschäftigten die Arbeit ablehnen, ohne Vergütungsverlust!

[Bearbeitungsstand: 01.11.2022]