Jahreswechsel 2022/2023
Vater hält seinen Sohn auf dem Arm.

Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben

Gemäß der Richtlinie (EU) 2019/1158 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige (kurz: Vereinbarkeitsrichtlinie), die am 1. August 2019 in Kraft getreten ist, sind die EU-Mitgliedstaaten verpflichtet, Mindestvorschriften umzusetzen, um die Gleichstellung von Männern und Frauen im Hinblick auf Arbeitsmarktchancen und die Behandlung am Arbeitsplatz zu erreichen. Die Umsetzung in nationales Recht hätte eigentlich bis zum 2. August 2022 erfolgen müssen, deshalb hat die EU-Kommission bereits ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet.

Das „Gesetz zur weiteren Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1158 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige und zur Aufhebung der Richtlinie 2010/18/EU des Rates“ ist am 1. Dezember 2022 in 2./3. Lesung vom Bundestag verabschiedet worden und hat am 16. Dezember 2022 den Bundesrat passiert. Die Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt erfolgte am 23. Dezember 2022, die darin enthaltenen Änderungen treten am Tag nach der Verkündung in Kraft, also am 24. Dezember 2022. Da die EU-Vereinbarkeitsrichtlinie bereits weitgehend in nationales Recht umgesetzt war, hielt sich der Anpassungsgehalt in Grenzen.

HINWEIS:

Insgesamt ist der Umsetzungsbedarf aufgrund der EU-Vereinbarkeitsrichtlinie für Deutschland relativ unbedeutend – mit einer Ausnahme, dem bezahlten Vaterschaftsurlaub für zehn Arbeitstage (gem. Artikel 4 der EU-Richtlinie 2019/1158). Dieser soll jedoch – wie übereinstimmenden Medienberichten Ende November zu entnehmen war – laut Bundesfamilienministerium erst im Laufe des Jahres 2024 umgesetzt werden.

Anpassung Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz

Hinsichtlich der Elternzeit wird die in Art. 9 Abs. 2 Satz 2 der Richtlinie (EU) 2019/1158 enthaltene Begründungspflicht des Arbeitgebers bei Ablehnung eines Antrags auf flexible Arbeitszeitregelungen eingeführt.

Arbeitgeber, die den Wunsch eines Elternteils, die Arbeitszeit in der Elternzeit zu verringern oder zu verteilen, nicht entsprechen, werden verpflichtet, ihre Entscheidung zu begründen. Hierdurch sollen die Umstände, die zur Ablehnung des Antrages geführt haben, auch für die betroffenen Eltern transparent werden.

Die Neuregelung normiert die Begründungspflicht seitens der Arbeitgeber bei Antragsablehnung. Diese gilt auch gegenüber Beschäftigten in Kleinbetrieben (≤ 15 Arbeitnehmer). Neu ist nun also, dass eine Ablehnung seitens des Arbeitgebers von diesem begründet werden muss, dies sah das BEEG bisher nicht vor.

WICHTIG:

Die Ablehnung hat, soweit eine Einigung nicht möglich ist, innerhalb von vier Wochen nach Antragstellung zu erfolgen. Die Vier-Wochen-Frist entspricht dem Zeitraum, innerhalb dessen sich die Beteiligten schon bisher über den Antrag verständigen sollten. Die Begründung kann formlos erfolgen, laut Gesetzesbegründung sind „an den Inhalt der Begründung keine hohen Anforderungen zu stellen“.

Anpassung Pflegezeitgesetz und Familienpflegezeitgesetz

Kleinbetriebe werden verpflichtet, Beschäftigten, die den Abschluss einer Vereinbarung über eine Freistellung nach dem Pflegezeitgesetz (PflegeZG) oder dem Familienpflegezeitgesetz (FPfZG) beantragen, innerhalb einer Frist von vier Wochen ab Zugang des Antrags zu antworten; im Fall einer Antragsablehnung ist diese zu begründen.

Status quo: Beschäftigte von Arbeitgebern mit in der Regel 15 oder weniger Beschäftigten haben keinen Rechtsanspruch auf die Inanspruchnahme einer bis zu sechsmonatigen Pflegezeit oder einer sonstigen Freistellung (Betreuung minderjähriger pflegebedürftiger naher Angehöriger in häuslicher oder außerhäuslicher Umgebung bzw. Betreuung in der letzten Lebensphase für maximal drei Monate). Im Fall der einvernehmlichen Vereinbarung einer solchen Freistellung kann ihnen jedoch auf Antrag für die Dauer der Freistellung ein zinsloses Darlehen vom Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA) gewährt werden.

Mit der Neuregelung soll klargestellt werden, dass diese Beschäftigten bei ihrem Arbeitgeber den Abschluss einer Vereinbarung über eine Pflegezeit oder eine sonstige Freistellung beantragen können. Damit der Arbeitgeber den Antrag zügig beantworten kann, sollte dieser die für eine Entscheidung erforderlichen Angaben enthalten, d. h. den Zeitraum, den Umfang der Freistellung sowie im Fall einer teilweisen Freistellung die gewünschte Verteilung der Arbeitszeit.

Die Arbeitgeber mit in der Regel 15 oder weniger Beschäftigten sind in Zukunft dazu verpflichtet, solche Anträge zu beantworten, die Antwort muss innerhalb von vier Wochen nach Zugang des Antrags erfolgen.

Möchte der Arbeitgeber den Antrag ablehnen, muss er die Ablehnung begründen. Damit sollen die Umstände für die Arbeitnehmer transparent gemacht werden, die zur Ablehnung des Antrages führten.

WICHTIG:

Laut Gesetzesbegründung führt „eine unterbliebene Antwort oder eine nicht sachlich begründete Ablehnung nicht zu einer Fiktion der Zustimmung des Arbeitgebers zur beantragten Freistellung“ – bleibt also im Grunde folgenlos.

Vereinbaren Beschäftigte in Betrieben mit in der Regel 15 oder weniger Beschäftigten mit ihrem Arbeitgeber eine solche Freistellung, werden diverse Regelungen, die sich auf die Rechtsansprüche auf Freistellung nach dem Pflegezeitgesetz beziehen, für entsprechend anwendbar erklärt.

Darüber hinaus bleibt es Beschäftigten und Arbeitgebern unbenommen, zur Ermöglichung von Pflegetätigkeiten anderweitige Freistellungen als diejenigen im Sinne des Pflegezeit- und Familienpflegezeitgesetzes zu vereinbaren. Für Freistellungen, die nicht den Voraussetzungen des Pflegezeit- oder Familienpflegezeitgesetzes entsprechen, besteht jedoch kein Anspruch auf Förderung durch ein zinsloses Darlehen.

Familienpflegezeit: Die vorstehenden Ausführungen gelten analog für die Familienpflegezeit, also für Beschäftigte von Arbeitgebern mit in der Regel 25 oder weniger Beschäftigten (ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten).

Unverändert muss die wöchentliche Arbeitszeit hier noch mind. 15 Stunden betragen, die Dauer ist auf längstens 24 Monate begrenzt.

Auch in diesen Fällen muss der Arbeitgeber den Antrag innerhalb von vier Wochen beantworten und eine Antragsablehnung begründen.

Auf Vereinbarung folgt Kündigungsschutz

Beschäftigte von Arbeitgebern mit in der Regel 15 oder weniger Beschäftigten sind auch während einer mit ihrem Arbeitgeber vereinbarten Pflegezeit oder sonstigen Freistellung vor einer Kündigung geschützt. Gleichermaßen gilt der Schutz für Beschäftigte von Arbeitgebern mit in der Regel 25 oder weniger Beschäftigten während einer mit ihrem Arbeitgeber vereinbarten Familienpflegezeit. Der Zeitraum, in dem das Arbeitsverhältnis vom Arbeitgeber nicht gekündigt werden darf, erstreckt sich auch hier bis zum Ende der Freistellung – er beginnt allerdings nicht mit der Ankündigung, sondern mit dem Beginn der Freistellung.

Dass in besonderen Ausnahmefällen die für den Arbeitsschutz zuständige oberste Landesbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle eine Kündigung für zulässig erklären kann, gilt analog auch für vereinbarte Pflege- bzw. Familienpflegezeiten.

Antidiskriminierungsstelle des Bundes zuständig

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS), zuständig bereits für Benachteiligungen nach dem AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz), wird für Fragen im Zusammenhang mit Diskriminierung, die unter die Vereinbarkeitsrichtlinie fallen, als zuständige Stelle bestimmt. Diese Änderung dient der Umsetzung von Art. 15 der Vereinbarkeitsrichtlinie (EU-Richtlinie 2019/1158) in deutsches Recht.

Nach Art. 15 der Vereinbarkeitsrichtlinie haben die Mitgliedstaaten dafür zu sorgen, dass die gemäß Art. 20 der Richtlinie 2006/54/EG bezeichnete Stelle oder bezeichneten Stellen, deren Aufgabe es ist, die Gleichbehandlung aller Personen ohne Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu fördern, zu analysieren, zu beobachten und zu unterstützen, auch für Fragen im Zusammenhang mit Diskriminierung zuständig sind, die unter die Vereinbarkeitsrichtlinie fallen.

[Bearbeitungsstand: 23.12.2022]