Jahreswechsel 2025/2026
Zwei Personen tragen gelbe Schutzhelme und neongelbe Warnwesten. Sie stehen in einer Industriehalle mit großen Fenstern und sprechen miteinander.

Bundestariftreuegesetz

20.10.2025
5 Minuten Lesedauer

Das Bundeskabinett hat am 6. August 2025 das – im Bundesrat zustimmungspflichtige – Tariftreuegesetz (Gesetz zur Stärkung der Tarifautonomie durch die Sicherung von Tariftreue bei der Vergabe öffentlicher Aufträge des Bundes) beschlossen. Darin enthalten (Artikel 1) ist das neue BTTG – Bundestariftreuegesetz (Gesetz zur Sicherung der Tariftreue bei der Vergabe und Ausführung öffentlicher Aufträge und Konzessionen des Bundes).

Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas hatte hierzu auf die Bedeutung von Auftragsvergaben des Bundes hingewiesen und insbesondere auf das 500 Milliarden Euro umfassende Sondervermögen Infrastruktur: „Für die Modernisierung von Brücken, Krankenhäusern, Schulbauten werden dann viele öffentliche Aufträge vergeben.“ Dabei sei nun klar: „Lohndumping mit Steuergeld schieben wir einen Riegel vor.“

Inkrafttreten: Nach Artikel 8 soll das Gesetz in seinen wesentlichen Teilen am Tag nach der Verkündung in Kraft treten, frühestens am 1. Januar 2026.

Das politische Ziel ist, die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie zu stärken und das Tarifvertragssystem zu stabilisieren. Denn dies sei das Fundament angemessener Arbeitsbedingungen für die Arbeitnehmer. Mit dem BTTG soll die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie gesichert werden, indem originäre Tarifbindung geschützt und gefördert wird. Die Nachteile tarifgebundener Unternehmen im Wettbewerb um öffentliche Aufträge und Konzessionen des Bundes werden beseitigt. Der Verdrängungswettbewerb über die Lohn- und Personalkosten wird eingeschränkt.

Wichtig:

Das BTTG soll für öffentliche Aufträge ab einem geschätzten Auftrags- oder Vertragswert in Höhe von 50.000 EUR (ohne Umsatzsteuer) gelten (§ 1 Abs. 1 Satz 1 BTTG-E).

Festsetzung verbindlicher Arbeitsbedingungen

Das BTTG schafft eine Verordnungsermächtigung dafür, dass tarifvertragliche Regelungen

  • zur Entlohnung,
  • zum bezahlten Mindestjahresurlaub sowie
  • zu Höchstarbeitszeiten, Mindestruhezeiten und Ruhepausenzeiten

durch Rechtsverordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales rechtsverbindlich für die Ausführung öffentlicher Aufträge und Konzessionen des Bundes vorgegeben werden (§ 5 Abs. 1 BTTG-E).

Die öffentlichen Auftraggeber, Sektorenauftraggeber und Konzessionsgeber des Bundes müssen dann von ihren Auftragnehmern verlangen, dass diese ihren Arbeitnehmern für die Ausführungsdauer die in einschlägigen Rechtsverordnungen verbindlich gemachten tarifvertraglichen Arbeitsbedingungen gewähren. Auch Nachunternehmer und Verleihunternehmer müssen ihren jeweiligen Arbeitnehmern die tarifvertraglichen Arbeitsbedingungen für die Ausführungsdauer gewähren.

Nachweis- / Dokumentationspflicht

Der Bundesauftraggeber verpflichtet den Auftragnehmer, mittels geeigneter Unterlagen zu dokumentieren (§ 9 BTTG-E), dass der Auftragnehmer sein Tariftreueversprechen (nach § 3 BTTG) einhält, und die Unterlagen auf Anforderung der Prüfstelle Bundestariftreue vorzulegen.

Die Pflicht zum Nachweis der Einhaltung des Tariftreueversprechens entfällt, wenn Auftragnehmer jeweils ein geeignetes Zertifikat einer der in den Vergabeverordnungen genannten Präqualifizierungsstellen vorlegen (§ 10 BTTG-E). Aus dem Zertifikat muss sich ergeben, dass der Auftragnehmer, der Nachunternehmer oder der Verleiher seinen Arbeitnehmern mindestens Arbeitsbedingungen einer für die Ausführung des öffentlichen Auftrags oder der Konzession einschlägigen Rechtsverordnung gewährt. Ein Auftragnehmer kann sein Tariftreueversprechen insbesondere dadurch erfüllen, dass er sich von Nachunternehmern oder von dem Auftragnehmer oder von Nachunternehmern beauftragten Verleihern ein derartiges Zertifikat vorlegen lässt.

Zivilrechtliche Sanktionen

Die neu einzurichtende Prüfstelle Bundestariftreue kontrolliert die Einhaltung der tarifvertraglichen Bedingungen und stellt erhebliche Verstöße durch Verwaltungsakte rechtsverbindlich fest. Bei Verstößen gegen das Tariftreueversprechen sieht das BTTG ein differenziertes Durchsetzungsregime vor (§ 11 BTTG-E):

  • Verstöße können zivilrechtlich durch Vertragsstrafen sanktioniert werden. Zu diesem Zweck soll der Bundesauftraggeber mit dem Auftragnehmer eine angemessene Vertragsstrafe in Höhe von maximal 1 Prozent, bei mehreren Verstößen maximal 10 Prozent des Auftragswertes, vereinbaren. Dieses ist verwirkt, wenn die Prüfstelle Bundestariftreue einen Verstoß (nach § 13 BTTG) festgestellt hat.
  • Darüber hinaus können Verstöße gegen die Tariftreueregelung zur außerordentlichen Kündigung des Auftragsverhältnisses und zum Ausschluss von künftigen Vergabeverfahren führen.

Arbeitsrechtliche Pflichten

Den betreffenden Arbeitnehmern wird ein gesetzlicher Anspruch auf die einschlägigen tarifvertraglichen Arbeitsbedingungen gewährt, den sie im Streitfall vor den Arbeitsgerichten durchsetzen können (§ 4 BTTG-E).

Werden Leiharbeitnehmer vom Auftragnehmer oder einem Nachunternehmer zur Leistungserbringung eingesetzt und dabei mit Tätigkeiten beschäftigt, die in den Geltungsbereich einer Rechtsverordnung (nach § 5 BTTG) fallen, hat der Verleiher mindestens die in dieser Rechtsverordnung vorgeschriebenen Arbeitsbedingungen zu gewähren.

Ein Verzicht auf Ansprüche ist nur in einem von den Tarifvertragsparteien gebilligten Vergleich zulässig. Die Verwirkung dieser Ansprüche ist ausgeschlossen. Ausschlussfristen für die Geltendmachung der Ansprüche können ausschließlich in dem der Rechtsverordnung (nach § 5 BTTG) zugrunde liegenden Tarifvertrag geregelt werden.

Aufklärungspflicht: Nicht zuletzt sind die Arbeitgeber verpflichtet, die Arbeitnehmer/Leiharbeitnehmer, die sie im Geltungsbereich einer Rechtsverordnung (nach § 5 BTTG) zur Leistungserbringung einsetzen, spätestens am 15. des auf den Tag der ersten Tätigkeit in Ausführung des Auftrags oder der Konzession folgenden Monats schriftlich oder in Textform darüber zu informieren, dass sie einen Anspruch auf die einschlägigen Arbeitsbedingungen haben. Die Bundesauftraggeber sollen für die Erfüllung dieser Aufklärungspflicht einen Vordruck zur Verfügung stellen.

Prüfstelle Bundestariftreue

Als Kontrollbehörde wird eine neue Prüfstelle Bundestariftreue eingerichtet, die der effektiven Durchsetzung des Tariftreueversprechens und der Entlastung der Vergabestellen dienen soll (§ 8 Abs. 1 BTTG-E). Diese Aufgabe soll (gemäß § 30 Abs. 2 SGB IV) auf die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See übertragen werden.

Für die Einrichtung der Prüfstelle Bundestariftreue werden die Kosten laut Gesetzentwurf allein für die acht zu schaffenden Planstellen auf 1,4 Mio. Euro jährlich beziffert, Projekt- und Softwarekosten kommen noch hinzu: „Weiter fallen für die Einrichtung der Prüfstelle einmalige Projektkosten in Höhe von rund 157.000 Euro an. Für die erstmalige Einrichtung der Softwarelösung werden Kosten in Höhe von 16.000 Euro beziffert. Die Lizenzkosten der benötigten Softwarelösung belaufen sich auf einmalig rund 36.000 Euro und jährlich rund 7.000 Euro für Wartung. Diese Kosten werden der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See vom Bund aus dem Einzelplan 11 erstattet.“

Ausblick:

Die Zahl der tarifgebundenen Betriebe und der Beschäftigten, für die ein Tarifvertrag gilt, nahm zuletzt immer mehr ab. Immer weniger Arbeitgeber binden sich an einen Tarifvertrag. Früher waren drei von vier Arbeitsplätzen tarifgebunden; heute ist es nur noch jeder zweite. Auch die Europäische Union verlangt übrigens von den Mitgliedstaaten mit weniger als 80 Prozent tarifvertraglicher Abdeckung Maßnahmen, um Tarifverhandlungen zu fördern. Ob das Bundestariftreuegesetz hier Wirkung zeigen und wieder für mehr Tarifbindung sorgen kann, bleibt abzuwarten.